Montag, 24. April 2017

Woanders zuhause oder ein Zuhause woanders


Vom 21. Bis zum 29. März war ich, aufgrund eines Schüleraustausches, in Turin, in Norditalien.
Ich bin mit meinem Italienischkurs dort hingefahren und wir haben in Gastfamilien gelebt. Unsere Austauschschülern lernen in der Schule Deutsch und waren einen Monat vorher bei uns.


Die Woche an sich war sehr schön und das Leben in einer anderen Familie ist eine interessante Erfahrung. Es war das erste Mal, dass ich wirklich bei einer einheimischen Familie gelebt habe, als Gastschülerin, und nicht einfach nur zum Urlaub machen in einem anderen Land war.


Und, was soll ich sagen, es ist wirklich extrem, wie viel schneller einem so Unterschiede im Leben und im Verhalten der Menschen auffallen, in ihren Angewohnheiten und Lebensweisen.

Italien und Deutschland sind beides fortschrittliche westeuropäische Länder und von außen betrachtet ähnelt sich das Leben dort vielleicht, bis auf einige Details.


Doch wenn man plötzlich Teil dieses Lebens wird, welches man so anders gar nicht erwartet hat, kann man erstaunt sein, welche Differenzen einem alle begegnen. Und ich war nur eine Woche da.

Damit ihr einen Eindruck bekommt, oder auch, damit ich nicht vergessen, was mir eigentlich aufgefallen ist, hier ein paar Beispiele (natürlich lässt sich das nicht auf italienische Menschen im Generellen pauschalisieren. Das sind nur die Erfahrungen, die ich gemacht habe – es soll nicht wertend sein oder jemanden angreifen!):

-         
            Die Italiener laufen verdammt langsam.

-          Die Jugendlichen sind verglichen zu dem Durchschnitt hier sehr viel unselbstständiger – wir wurden beispielsweise oft abgeholt, und viele wurden auch zur Schule gefahren.

-          Die Familie ist sehr wichtig, oft wohnen die Großeltern noch mit im Haus oder in der Nähe und man sieht sich oft.

-          Ich werde mich nie wieder über Berliner U-Bahnen beschweren – nicht nach den Busfahrten dort, jeden Morgen, als ich dachte, ich muss zwangsläufig mit anderen Menschen verschmelzen, weil einfach kein, wirklich kein, Platz war.

-          Der Fernseher läuft quasi ständig.

-          Lautstärke. Gefühlt alles, was italienische Jugendliche machen, ist 10-mal lauter.

-          Stürmisch. Herzlich. Lässig. Entspannt. Die Art, das Leben zu sehen, wirkt froher und fröhlicher.


All das hat man natürlich hauptsächlich mitbekommen, weil man in einer Gastfamilie gewohnt hat.

Meine Familie war wahnsinnig liebevoll. Sie waren nett zu mir, haben extra vegetarisch gekocht und ich habe mich sehr wohlgefühlt.

Allerdings war einer der häufigsten Sätze, die ich von ihnen (auf Italienisch) gehört habe: 
„Nein, nein. Setz dich hin. Du bist der Gast. Entspanne dich.“

In dieser ganzen Woche habe ich einmal geholfen die Spülmaschine auszuräumen. Ansonsten wurde ich bekocht, mir wurde Tee gemacht, meine Handtücher wurden gewechselt, das Bett gemacht, ja, sogar meine Flasche wurde mir jeden Morgen aufgefüllt.

 Natürlich war das alles lieb gemeint und ich möchte mich auf keinen Fall beschweren. Nach einer Woche habe ich auch nicht viel anderes erwartet.

Ich habe nur gemerkt, durch diese Haltung, „du bist der Gast, du musst nichts machen“, alles sehr distanziert geblieben ist. Die Gasteltern haben mich gefragt, wie mein Tag war, und was ich essen möchte. Ich habe gefragt, ob ich duschen gehen darf. Mehr war da kaum. 

Ich war nur eine Woche da, und nicht Monate oder ein Jahr. Aber nach dieser Woche hat es sich fast noch so fremd angefühlt, wie am ersten Abend. 
Ich hatte dort ein Zuhause, einen Ort zum Schlafen, Reden und Duschen. 
Aber ich war nicht zuhause. Es war kein Ort zum Erleben, Lachen, Tanzen, Leben. Ich war ein Gast, kein Bewohner.

Und ich würde mir sehr wünschen, dass es während meines Auslandsjahres anders wird.

Ich erwarte nicht, eine zweite Familie zu finden. 
Aber woanders zuhause zu sein, das wäre schön.

Mein Auslandsjahr? Das beginnt übrigens in genau 99 Tagen. 
Sehr aufregend.

Alles, alles Liebe und zum Abschluss noch ein paar Bilder aus bella Italia! <3