Samstag, 22. Juli 2017

Die Neugier ist wertvoller als die Angst


Ich schreibe diesen Text, während ich am fünfzehntletzten Abend (inzwischen sind es nur noch 11) in meinem Bett in meinem Zuhause liege und nicht schlafen kann, weil mich die Gefühle auf einmal überrumpeln.
Das passiert mir manchmal, vor allem im Zusammenhang mit dem Auslandsjahr. Ich hab immer wieder Hoch- und Tiefphasen, während der sonstigen gelassenen Stimmung in Hinblick auf mein zukünftigen Wohnort in Finnland.
Einmal male ich mir aus, wie toll es wird, spinne die schönsten Geschichten in meinem Kopf und sehe mich schon mit Langlaufskiern die Kilometer bewältigen, natürlich immer mit einem Grinsen im Gesicht.
Dann wieder, so wie heute eben, trifft mich plötzlich die Angst. Und die Sorge, die Aufregung, die Nervosität. Und allen voran die Planlosigkeit. Das Gefühl, überhaupt nicht zu wissen, was auf mich zukommt. So gar nicht.
Ich habe zwar meine Gastfamilie und war auf meiner Vorbereitungstagung (es tut mir sehr leid, dass hier solange nichts zu all dem kam, das wird so gut es geht nachgeholt.)
Doch trotzdem habe ich keinen Plan.
Ich beginne quasi etwas, wo mir zwar ungefähr gesagt wurde, was das ist, ich aber keine Ahnung habe was genau das ist. Für mich persönlich. Ich weiß nicht, was mich erwartet. Welche Regeln, welche Menschen, welche Momente. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll und was auf mich zukommt. 


Und dann liege ich da und überlege, dass ich morgen mal die Bettwäsche wechseln sollte.
Dann fällt mir auf, dass das das letzte mal wohl sein wird. Dann überlege ich, wie oft ich hier noch duschen werde. Wie oft zur Schule fahren. Wie oft meine Freunde sehen. Wie oft U-Bahn faheren. Wie oft.
Ich kann fast alles an meinen beiden Händen abzählen. Die letzten Male liegen vor mir.
Und ich fühle mich nicht bereit, denn weder habe ich alle Gastgeschenke, noch habe ich angefangen meinen Koffer zu packen. Aber ich weiß nicht, ob es überhaupt diesen Moment gibt, in dem man sich bereit fühlt. Selbst wenn ich mit meinen zwei Koffern und dem Rucksack am Flughafen stehe - bin ich dann bereit? Bereit für ein Jahr, weit weg von allem und allen die ich liebe, in einem Land, dessen Sprache ich nicht verstehe?
Aber wisst ihr was? Diese Momente der Angst gehen wieder vorbei. Was mir hilft ist reden. Mit anderen, denen es vielleicht genauso geht.  Überraschenderweise meistens wirklich genauso. Es tut gut zu wissen, dass man nicht die einzige mit Lampenfieber ist, dass es vollkommen normal ist, traurig zu sein.
Was noch hilft, ist an den freudigen Augenblicken festzuhalten. Da wo mir ein Bekannter ein Lied zeigt und ich erkenne, dass es Finnisch ist. Wo ich es kaum erwarten kann, meine neue Familie kennenzulernen und mir vornehme zu erwarten, dass alle Menschen erstmal grundsätzlich nichts gegen mich haben.
Die Augenblicke, wo ich lächel und gespannt bin, auf alles, was noch kommt.
Denn ich habe einen wunderschönen Satz gelesen, der mir seitdem immer wieder ins Gedächtnis kommt, wenn die Zweifel kommen.
Die Neugier ist wertvoller als die Angst.
Das sollte sie sein. Denn sonst bleibt man ja immer da, wo man ist, kommt nicht aus seiner Comfort-Zone raus und die unbeantworteten Fragen bleiben unbeantwortet.


Ich wünsche allen, deren Jahr bald beginnt eine wunderschöne Zeit!

Lona